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Unternehmen im Wandel zur Nachhaltigkeit

Im Kontext von nationalen und internationalen Nachhaltigkeitsanforderungen erfahren Sie, welche Unternehmen von der neuen Berichtspflicht nach CSRD betroffen sind und wie sich der Fokus der regulatorischen Neuerungen verschiebt. Zudem gibt es Beispiele für die Auswirkungen auf verschiedene Branchen und in sechs Schritten wird erklärt , was Unternehmen in einer ersten Projektphase tun sollten, wenn sie mit der Umsetzung der Berichterstattung beginnen.
A tree in a light bulb with a blurred forest background

Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit freiwillig Maßnahmen ergriffen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und soziale Verantwortung zu übernehmen. Diese Selbstverpflichtung zu mehr Nachhaltigkeit hat einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Förderung nachhaltiger Wirtschaftspraktiken geleistet. Doch dies reicht nicht mehr aus, um die Umweltauswirkungen der intensiven Ressourcennutzung wirksam zu bekämpfen. Ein umfassender und effektiver Ansatz zur Nachhaltigkeit erfordert heutzutage die Berücksichtigung verschiedener ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Dimensionen. Auf diese Weise können Wirtschaftstätigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht und einhergehende Chancen früh realisiert werden. 

Mit der Einführung eines in der EU verpflichtenden jährlichen Nachhaltigkeitsberichts für eine größere Anzahl an Unternehmen will die Politik die Transparenz über die Nachhaltigkeit von Unternehmensaktivitäten verbessern und die Transformation zu ökologischeren Geschäftsmodellen fördern. Die dafür zuständigen gesetzlichen Regelungen – die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die zugehörigen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) – sind ab dem Geschäftsjahr 2024 durch Unternehmen umzusetzen, welche bereits heute zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind.

In den darauffolgenden drei Jahren fallen sukzessive weitere Unternehmen in den Anwendungsbereich. Die betroffenen Unternehmen sollen nachvollziehbar bewerten und darlegen, wie sich ihr Geschäftsmodell auf Umwelt und Gesellschaft auswirkt. Die erhöhte Transparenz ist nicht nur für Investoren, Mitarbeitende und Regulierungsbehörden relevant, sondern auch für die Unternehmen selbst. Nachhaltigkeitsprobleme wie Umweltverschmutzung, soziale Konflikte und regulatorische Änderungen stellen erhebliche finanzielle Risiken dar: Was sich auf die Unternehmensumwelt auswirkt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.  

Europas Nachhaltigkeitsbemühungen stehen im Einklang mit weltweiten Bestrebungen

Im Zuge des europäischen Green Deals und den dazugehörigen EU-Initiativen wie beispielsweise der Initiative für nachhaltige Finanzierungen und der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 hat die EU in den letzten Jahren eine Vielzahl von Regularien verabschiedet. Sie steht mit ihren Nachhaltigkeitsbemühungen jedoch nicht allein da. Nachhaltigkeit ist ein globales Anliegen und die Förderung nachhaltiger Praktiken zur Bewältigung der ökologischen und sozialen Transformation findet weltweit statt. Internationale Standards und Rahmenwerke zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wie die der Global Reporting Initiative (GRI) und die der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) sind seit Jahren anerkannt und werden von internationalen Unternehmen und Organisationen angewendet. Diese bisher freiwilligen Standards werden aktuell in verpflichtende Berichterstattungen eingeflochten. So wurden bei der Ausarbeitung der IFRS Sustainability Disclosure Standards die Empfehlungen der TCFD berücksichtigt. Einige Länder wie Großbritannien und Kanada haben bereits verkündet, dass ihnen die IFRS Sustainability Disclosure Standards bei der Ausgestaltung ihrer nationalen Berichtspflichten im Bereich Nachhaltigkeit als Grundlage dienen werden. Und auch die europäischen Berichtsstandards basieren auf den Empfehlungen der TCFD und der GRI. Die Harmonisierung der verschiedenen nationalen und regionalen Berichtsstandards wird noch dauern, jedoch werden erste Lösungsansätze bereits diskutiert. Unternehmen, die sich in den letzten Jahren an den freiwilligen Standards orientiert haben, können daher auf ihrer bisherigen Arbeit aufbauen.

2022 wurde mit der Taxonomie-Verordnung in Europa das erste Mal das Nachhaltigkeitsspielfeld für Umweltthemen definiert. Die Verordnung, welche von Unternehmen anzuwenden ist, die unter die CSRD-Berichtspflicht fallen, etabliert sechs Ziele im Bereich Umwelt und fasst Nachhaltigkeitsanforderungen zusammen, welche für verschiedenste Wirtschaftsaktivitäten berücksichtigt werden sollen, um diese als ökologisch nachhaltig ausweisen zu können. Da die EU-Taxonomie aktuell jedoch nicht alle Branchen und alle Nachhaltigkeitsthemen – die Dimensionen Social und Governance sind noch nicht definiert – umfasst, ist mit weiteren Ergänzungen zu rechnen. 

Mit der Taxonomie-Verordnung hat der Nachhaltigkeitsbegriff an Klarheit gewonnen und weitere Länder und Regionen werden dem EU-Beispiel folgen. So hat Australien mit der Arbeit an einer eigenen Taxonomie für grüne Finanzierungen und Übergangsfinanzierungen begonnen und auch Großbritannien bereitet eine Taxonomie vor. Die große Herausforderung für global agierende Unternehmen wird sein, einen Überblick über die verschiedenen Taxonomien zu behalten, solange es noch keine offiziell anerkannten Taxonomie-Grundpfeiler gibt.

Der Fokus der regulatorischen Neuerungen verschiebt sich

Bislang hat der Klimawandel in der Bemühung um mehr Nachhaltigkeit eine hervorgehobene Stellung bei der Entwicklung von Regulatorik und Standards eingenommen. Nun rücken der Erhalt der Biodiversität und der Umgang mit Umwelt- und sozialen Risiken in der Lieferkette vermehrt in den Fokus. Das liegt daran, dass Biodiversität eine gewichtige Rolle für die Wertschöpfung aller Volkswirtschaften spielt. Intakte Ökosysteme sind zudem entscheidend für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Folgen. Auch die Nachhaltigkeit in der Lieferkette ist von der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen. Viele deutsche Unternehmen implementieren zurzeit die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und dürften nun zumindest für die erweiterten Anforderungen aus den ESRS und der im Entwurf befindlichen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gewappnet sein. Hier zeigt sich erneut, dass, wer früh anfängt, sich Wettbewerbsvorteile sichern kann. Wer bereits die Stabilisierung der eigenen  Lieferkette vorangetrieben hat, wird besser auf mögliche Ereignisse in der Wertschöpfungskette vorbereitet sein.

Wirtschaftlich sinnvoll und unternehmerisch nachhaltig agieren

Für viele Unternehmen wird die Umsetzung der europäischen Berichtsstandards in den kommenden Jahren oberste Priorität haben. Um die Vielfalt der Anforderungen weniger komplex und überschaubarer zu gestalten, spielt die Wesentlichkeitsanalyse im Rahmen der Vorbereitung auf die Berichterstattung eine essenzielle Rolle. Denn welche Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen wesentlich sind, wird grundsätzlich vom Unternehmen selbst bestimmt, indem es die Auswirkungen, Risiken und Chancen seiner Geschäftstätigkeit einer eingehenden Analyse unterzieht. Je nach Branchenzugehörigkeit werden gewisse Fokusthemen bei allen Mitbewerbern in der Wesentlichkeitsliste eine ähnlich hohe Priorität haben, wodurch auch der Vergleich von Unternehmen zukünftig einfacher wird. 

Unternehmen sollten daher frühzeitig anfangen, wirtschaftlich sinnvolle Ziele zu definieren, Informationslücken zu schließen und wirksame Abläufe für die jährliche Berichterstattung zu entwickeln. Zudem sollten Unternehmen in einer ersten Projektphase folgende Schritte vornehmen, welche im Anschluss die Planung der weiteren Projektphasen erlauben: 

1. Sie sollten sich einen Überblick über die Regularien verschaffen, die in den nächsten Jahren greifen und mögliche inhaltliche Überschneidungen mit der CSRD herausarbeiten, um eine abgestimmte und effiziente Umsetzung zu ermöglichen.

2. Die Umsetzung der CSRD-Anforderungen beginnt anschließend mit der Analyse der für das Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen aus dem ESG-Spektrum. Wie diese Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt wird, hängt stark davon ab, welche Kultur, Strukturen, Verantwortlichkeiten und Abläufe im Unternehmen vorherrschen. Die Analysen mögen in den ersten Jahren nicht perfekt sein. Jedoch wird sich das Wissen zu nachhaltigkeitsbezogenen Kausalzusammenhängen mit zunehmender Erfahrung und Erkenntnissen zusehends verbessern.

3. Das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse zeigt auf, zu welchen Themen berichtet werden soll und wirkt sich damit auf die Planung aus. Daher sollte frühzeitig ein Verständnis davon gewonnen werden, welche Anforderungen aus den europäischen Berichtsstandards das Unternehmen erfüllen muss und welche freiwilliger Natur sind.

4. Insbesondere Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeitern profitieren im ersten Berichtsjahr von gewissen Erleichterungen und müssen über Themen wie ihre Scope 3-Emissionen – also ihre indirekten Treibhausgas-Emissionen aus Quellen, die das bilanzierende Unternehmen nicht besitzt oder direkt kontrolliert – und die eigene Belegschaft noch nicht berichten. In den ersten zwei Jahren können diese Unternehmen auch noch von der Veröffentlichung von Informationen zu Biodiversität und Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette absehen.

5. Anschließend sollten die Unternehmen die wesentlichen zukünftigen Berichtsinhalte den aktuell bereits vorliegenden Daten, Zielen und Vorgaben gegenüberstellen. Dadurch werden Lücken ersichtlich, deren Bearbeitung in der Planung des weiteren Projekts gezielt berücksichtigt werden sollte.

6. Ein wichtiger Teil der Berichterstattung ist die Veröffentlichung von KPIs (Key Performance Indicators) zu den für das Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen. Unternehmen sollten die Vorgehensweisen zur effizienten Informationssammlung und -aufbereitung früh festlegen, damit die Daten zu verpichtenden Angaben bereits im ersten Berichtsjahr vorliegen. 

Nachhaltigkeit als Chance verstehen

Gegenwärtig stehen die ökologischen Nachhaltigkeitsthemen im Vordergrund der ESG-Diskussion. Daher sind in diesem Bereich auch die meisten Neuerungen zu erwarten. Betrachtet man jedoch die europäischen Berichtsanforderungen aus dem Bereich „Social“ genauer, so werden die Unternehmen auch hier – selbst in Bezug auf die eigene Belegschaft – einige Lücken und weiteres Verbesserungspotenzial entdecken. Nehmen wir das Beispiel Pay equity, also den Prozess, Differenzen in der Entlohnung anzugleichen, und erinnern wir uns mit Blick auf die bisherigen Entwicklungen und Herausforderungen daran, wie viel Zeit ein echter Wandel benötigt. Denn nachhaltiges Wirtschaften und die Umsetzung der gesetzlichen Änderungen, die diese Arbeitsweise unterstützen, sind komplexe Aufgaben, für die es noch keine eindeutigen  Lösungen gibt. Es ist daher sinnvoll, sich Stück für Stück vorzuarbeiten, neue Informationen aufzunehmen und von Erkenntnissen zu lernen. 

Unabhängig von den unternehmenseigenen Nachhaltigkeitsambitionen wird langfristig die Pfiicht zu mehr Transparenz Verhaltensänderungen im Unternehmen bewirken. Das liegt daran, dass mit zunehmendem Wissen aller Stakeholder sowie mit verlässlicheren Informationen, Entscheidungen zur zukünftigen Gestaltung des Unternehmens bewusster getroffen werden können. Den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit sollte ein Unternehmen daher nicht nur als Risiko, sondern auch als Chance begreifen. Und es lohnt sich, dass Unternehmen sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen – vor allem, wenn sie die Früchte der Arbeit schneller ernten wollen, als der Wettbewerb.

Beispiele für die Auswirkungen der Nachhaltigkeits-anforderungen auf verschiedene Branchen

In der ersten Ausarbeitung der Taxonomie-Verordnung wurden vor allem  Industriezweige adressiert, die durch ihre Wirtschaftsaktivitäten einen großen Einfluss auf die Umwelt haben, wie zum Beispiel die Energie- sowie die Bau- und  Immobilienwirtschaft. 

1. Die Energiebranche soll einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten, indem der Umstieg auf erneuerbare Energien weiter vorangetrieben wird. Zu den nachhaltigen Energiequellen zählen neben Solar-, Wind-, oder Wasserenergie auch Wasserstoff und Biomasse. 
Um den Erhalt von Artenvielfalt und Ökosystemen zu gewährleisten, legt die EU-Verordnung zudem fest, dass Biomasse nicht auf Kosten von natürlichen Lebensräumen gewonnen werden darf bzw. in welchem Maße bei ihrer Gewinnung Pestizide und Düngemittel zum Einsatz kommen dürfen. Es darf bei ihrer Produktion ferner nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommen und schlussendlich muss sichergestellt sein, dass ihre Nutzung zu einer Reduktion der  Treibhausgasemissionen führt.

2. Die Bau- und Immobilienbranche wird aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs  und der damit verbundenen Treibhausgasemissionen ebenfalls in der EU-Taxonomie adressiert. Bis 2030 soll sie ihre CO2-Emissionen um 55% reduzieren und muss dafür massiv in den nachhaltigen Gebäudebau investieren, der sich kennzeichnet durch u.a. einen geringen Primärenergiebedarf und Wasserverbrauch sowie die Wiederverwendung von mindestens 70% der auf Baustellen anfallenden nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle. Aktuell wird auch eine Überarbeitung der Energieeffizienz-Richtlinie diskutiert. Die Entwurfsversion sieht vor, dass Bestandswohngebäude bis 2030 zumindest Effizienzklasse E und bis 2033 mindestens Effizienzklasse D erreichen müssen. Gebäude mit einer niedrigeren Energieeffizienzklasse dürften somit weiter an Bestandswert bzw. Verkaufswert verlieren und schwerer zu vermieten sein. Unternehmen, die im Immobiliensektor tätig sind, sollten dieses Risiko bereits für ihren Immobilienbestand bewerten.

 

Erstveröffentlichung in VersicherungsPraxis 11/2023

Unsere Ansprechpartnerin

Danja Schockenhoff