I. Gängige synthetische Deckungselemente:
Die folgenden synthetischen Deckungselemente sind heutzutage so üblich, dass sie in der Regel bereits als Standard in die meisten Policen integriert und von den meisten Versicherern universell angeboten werden.
- Verlängerung der Versicherungslaufzeiten: Abweichend vom SPA beträgt die Deckungslaufzeit in der Regel 3 Jahre für operative Garantien und bis zu 10 Jahre für Fundamental- und Steuergarantien sowie Steuerfreistellungen und bietet so einen langfristigen Schutz – in der Regel ohne zusätzliche Prämie.
- Scrapes: Knowledge- und Materiality Scrapes verbessern in der Regel den Garantiekatalog gegenüber dem SPA, indem sie die Kenntnisqualifikationen des Verkäufers und bestimmte Qualifizierungen auf Wesentlichkeit oder Material Adverse Effect (MAE) entfernen. Durch den Knowledge Scrape werden vom Verkäufer auf dessen positive Kenntnis qualifizierte Garantien für die Zwecke der Police objektiv versichert, womit die hohe Hürde eines Vorsatznachweises in einem Schadenszenario wegfällt.
Durch Materiality Scrapes werden Wesentlichkeits- oder MAE-Qualifikationen aus den Garantien entfernt, womit Unsicherheiten, ob Verstöße wesentlich sind oder nicht, beseitigt werden. Ob ein MAE Scrape angeboten wird, hängt bei einigen Versicherern davon ab, ob der Verkäufer den jeweiligen Schwellenwert als Offenlegungsschwelle betrachtet oder die Schwellenwerte lediglich als Haftungsbegrenzung dienen.
- Erweiterter Schadenbegriff: In Abweichung zu einer engen Schadendefinition im SPA kann diese um indirekte Folgeschäden und entgangene Gewinne (soweit jeweils vernünftigerweise vorhersehbar) synthetisch erweitert werden. Diese ist für Käufer in der Praxis mittlerweile fast schon zu einem "Must-have" geworden und wird von Versicherern in der Regel entweder kostenfrei oder bis maximal 5% Zusatzprämie angeboten.
- Synthetische Steuerfreistellung: Sollte der Verkäufer nicht gewillt sein, eine Steuerfreistellung im SPA zu gewähren, um insoweit seine Haftung bereits dem Grunde nach auszuschließen, kann die Steuerfreistellung synthetisch unter der Police gedeckt werden. Dafür wird üblicherweise eine Zusatzprämie im Bereich zwischen 5% und 15% berechnet.
II. Aktuelle Entwicklungen:
Die folgenden neueren synthetischen Elemente bilden einen weiteren bedeutenden Fortschritt und führen zu einer grundlegenden Verbesserung des W&I-Produkts. Sie sind aber noch nicht bei allen Versicherern universell verfügbar.
- Definition Sellers‘ Knowledge: Während die SPA-Definition des Verkäuferwissens typischerweise lediglich positive Kenntnis vorsieht, beziehen viele Versicherer hier inzwischen auch grob fahrlässige Unkenntnis für Zwecke der W&I-Police ein. Dies kann die Deckung erheblich verbessern, insbesondere wenn der Garantiekatalog zahlreiche Kenntnisqualifikationen enthält, die nicht „gescrapt“ werden konnten (siehe oben für Knowledge Scrape) oder der Verkäufer eine allgemeine Informations- und Offenlegungsgarantie anbietet. Denn die Hürde der Beweislast wird dadurch gegenüber dem Versicherer von reinem Vorsatz auf grobe Fahrlässigkeit herabgesetzt.
- Schaden nach §§ 249 ff. BGB: Versicherer sind zunehmend bereit, die Schadendefinition des SPA völlig außer Acht zu lassen und stattdessen §§ 249 ff. BGB für die Zwecke der W&I-Police zu akzeptieren. Dies kann auch die Tür öffnen, um explizite Ausschlüsse von Multiplikatoren und Kaufpreisberechnungsmethoden zu umgehen und entsprechende Vorträge in Claims-Verhandlungen mit dem W&I-Versicherer zu ermöglichen.
- Datenraum-Scrape: In der Regel gilt der Inhalt des Datenraums nach dem SPA und der W&I-Policy als offengelegt, womit alle darin offengelegten (Fairly Disclosed) Informationen als bekannt und damit von der Haftung bzw. der W&I-Deckung ausgeschlossen sind. Durch ein Datenraum-Scrape wird dieser Ausschluss in der W&I-Police gestrichen und kann damit die Versicherungsdeckung im Vergleich zum SPA deutlich erweitern. Diese Deckungserweiterung kann in einem Schadenszenario äußerst hilfreich sein, da der Versicherungsnehmer nicht von Deckungsausschlüssen überrascht wird, die sich aus dem Datenraum ergeben können, aber in den DueDiligence (DD)-Berichten nicht entsprechend herausgearbeitet wurden. Ein W&I-Versicherer bietet diese Deckungserweiterung typischerweise an, wenn er im Underwriting-Prozess zu dem Ergebnis kommt, dass die jeweiligen DD-Workstreams den Datenraum im Wesentlichen vollständig geprüft haben (d. h. nicht ganze Bereiche unbesehen geblieben sind) und der Verkäufer marktüblich offengelegt hat.
III. Erschließen neuer Möglichkeiten der Deckung:
Jüngste Marktentwicklungen führen zu innovativen Deckungskonzepten, die die Mechanik des W&I-Produkts zugunsten der Versicherungsnehmer modifizieren.
- Synthetische Deckung von Closing-Garantien: In Fällen, in denen der Verkäufer sämtliche Garantien nur noch zum Signing abgibt, besteht nun die Möglichkeit, dass die Garantien unter der W&I-Police synthetisch auch zum Closing versichert werden. Für den Verkäufer ergibt sich hierdurch der Vorteil, dass eine Haftung für Garantien zum Closing bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist und Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit zukunftsgerichteten und kenntnisqualifizierten Garantien bestehen können, sich ggf. erübrigen. Als Voraussetzung wird vom Verkäufer eine Offenlegung (Bring-Down) über alle zwischen Signing und Closing eingetretenen und ihm bekannt gewordenen Garantiebrüche erwartet.
- New Breach Cover: Bereits seit vielen Jahren diskutiert, aber nicht wirklich erreicht, wird nunmehr der New Breach Cover von einzelnen Versicherern regelmäßig angeboten. Mithilfe des New Breach Cover übernimmt der Versicherer die Haftung für Garantiebrüche, die nach Signing eintreten, unabhängig davon, ob der Verkäufer oder der Käufer davon Kenntnis erlangt haben. Dadurch wird die oft streitige Frage gelöst, wer von den Beteiligten das Risiko tragen soll, dass nach Signing ein Umstand eintritt, der eine Garantie zum Closing unrichtig macht. Die Laufzeit des New Breach Cover wird aktuell auf meist ein bis drei Monate beschränkt und kann z. B. Ausschlüsse für Material Adverse Change (MAC) Events vorsehen.
- Synthetische Garantien: Bei einer Police mit synthetischen Garantien werden diese lediglich in die Police aufgenommen, während das SPA keinerlei Garantien enthält. Dadurch kann die Haftung des Verkäufers für Garantieverletzungen bereits dem Grunde vermieden werden. Insbesondere eine mögliche Vorsatzhaftung, die im Zusammenhang mit „Angaben ins Blaue hinein“ drohen könnte, ist dann nicht mehr zu fürchten. In der Vergangenheit war dieses Konzept üblich im Bereich von Immobilientransaktionen und in Konstellationen anzutreffen, bei denen eine Abgabe von Garantien durch den Verkäufer nicht zu erreichen war - z. B. bei Transaktionen aus der Insolvenz heraus. Nunmehr zeigen einige Versicherer die Bereitschaft, auch in „normalen“ operativen Transaktionen, Garantiekataloge teilweise oder vollständig synthetisch abzusichern. Wesentliche Voraussetzung ist eine dennoch durchgeführte Offenlegung durch den Verkäufer bzw. die Zielgesellschaft, und eine korrespondierende Due-Diligence-Prüfung des Käufers, die sich am Umfang des synthetischen Garantiekatalogs orientiert.